Man sagt, dass die Vorfreude die schönste Freude sei. Und so gibt es im Leben eines Seglers eigentlich auch keinen schöneren Augenblick als die „Lappen hochzuziehen“. Bevor der mehr oder weniger wilde Ritt über die Wellen beginnen kann – müssen natürlich die Segel gesetzt werden.
Wobei das Setzen eines Segels auf jeden Fall mehr bedeutet, als das Segel einfach hochzuziehen. Grundsätzlich wird je nach Größe/Länge des Bootes diktiert, ob die Segel auf dem freien Wasser (Yacht), an einer Takel-Tonne (kleinere Yacht) oder sogar teilweise an Land gesetzt werden können (Jolle).
Ausgehend von der Voraussetzung, dass einem jeden echten Yachtie der Umgang mit seinen Segeln bekannt sein dürfte/sollte, möchte ich den Schwerpunkt in den folgenden Erklärungen hinsichtlich der Jollen-Segler legen. Außerdem gehe ich davon aus, dass du dich als Segel-Anfänger erst einmal auf einem Binnenrevier ausprobieren wirst.
Noch ein Hinweis: Im Text werden erst die Fachbegriffe erwähnt – dahintersteht wird dann ein allgemeinverständlicher Begriff in Klammern gesetzt.
Inhaltsverzeichnis
Segel setzen
Bei einer Jolle wird in der Regel zuerst die Fock (Vorsegel) gesetzt. Mit der wesentlich kleineren Fock lässt sich die Jolle kurzzeitig auch ohne das Großsegel manövrieren – z.B. wenn die Jolle in einer Box liegt und das Großsegel durch diese Lage des Bootes erst später gesetzt werden kann.
An Land ist das ganz einfach, besonders wenn man zu zweit arbeitet. Die Fock wird möglichst aus dem aufgerollten Zustand gesetzt: Aus dem Unterliek (horizontale Kante des Segeldreiecks) heraus.
Der Steuermann zieht dabei am Fock-Fall (frei beweglicher Draht von der Mastspitze) und der Vorschoter rollt Achtern am Schiff die „Segel-Wurst“ ab.
Segelsetzen auf dem Wasser
Zum Setzen der Fock wird das Boot vorher mit dem Bug in den Wind gedreht. Solange das Schiffchen auf dem Land liegt, ist das natürlich sehr einfach – der Slippwagen wird eben so lange gedreht bis es passt.
Liegt das Boot allerdings am Steg im Wasser, muss es so lange gedreht werden, bis der Wind über den Bug weht. Wenn die Steg-Liege-Box relativ eng sein sollte (und das ist sie in der Regel), dann sind Festmacher oder Festmacherbojen die richtigen Alternativen.
Aus diesem Grund sind vor fast allen Steganlagen entsprechende Boje fest verankert, an die sich die Segler verholen (hin paddeln), um dann in aller Ruhe die Segel setzen (und später auch bergen) zu können.
Hier im Abstand vertäut, dreht sich die Jolle automatisch in den Wind. Du solltest nur darauf achten, dass die Leine, die über den Bug an die Tonne führt, auch so lang ist, dass sich die Jolle frei bewegen kann (schwojen).
Die Fock wird gesetzt
Bei den meisten Jollen ist das Vorstag (fest verschraubter Draht von der Mastspitze bis an den Bug) relativ dünn und dient nur dazu, den Mast bei nicht gesetzter Fock nicht umkippen zu lassen.
Im Vorlieg (nach vorne zeigende Kante des Segels) der Fock ist ein dann stabileres Drahtseil eingezogen, das bei gesetzter Fock die Funktion des (alten) Vorstags übernimmt – auch, weil es wesentlich mehr Druck aushalten muss.
Zum Setzen der Fock wird zunächst der Segel-Kopf (oberer Teil des Segels) mit einem Schäkel am Fockfall angeschlagen (befestigt). Mit dem Fockfall, dem Draht, der in der Regel an der Hinterkante oder unten seitlich aus dem Mast herauskommt, wird die Fock dann in einem möglichst ordentlich aufgerolltem Zustand heraus hochgezogen.
Der Segelhals (unterer Punkt des Segels) wird ebenfalls mit einem Schäkel an einem Loch hinter dem Vorstagbeschlag befestigt. Zu diesem Zeitpunkt sollten die Fockschoten (Seile zum späteren Bedienen der Fock) noch nicht am Schothorn (Öse im Segel, durch die die Schoten geführt werden) noch nicht befestigt werden.
Wenn die Fock hochgezogen ist, ist sie noch nicht gesetzt
Ist die Fock gesetzt, muss sie unbedingt noch richtig durchgesetzt (gespannt) werden. Dazu hängt sich eine zweite Person ins (dünne) Vorstag, indem sie sich z.B. mit dem Fuß am Bug oder dem Slippwagen abstützt.
Vorsicht: Damit du dich nicht verletzt, solltest du unbedingt Segelhandschuhe tragen. Während der Vorschoter im Vorstag hängt, kann der Steuermann das Fockfall so weit durchsetzen, bis er die Drahtschlaufe am Ende in die Hakenleiste einhaken kann.
Mitunter ist lediglich eine Klampe vorgesehen – dann musst du diese belegen (Klampe belegen ist Schulstoff in jeder Wassersportschule).
Verbreitet sind auch Fock-Systeme, in denen die Fock über sogenannte Stagreiter am Vorstag befestigt werden. Dieses System ist sehr nützlich, wenn du alleine segeln willst und auch alleine auftakelst. Da hier das Vorstag nicht mehr gespannt wird, sondern die Fock mehr oder weniger eng an dem Vorstag zur Mastspitze läuft.
Wie geht es weiter?
Ist die Fock am Mast gesetzt, wird die zweigeteilte Fockschot mit einem Palstek (Achtung: Knotenkunde!) am Schothorn gefestigt – oder, je nach System auch mittels Schekel befestigt. Die beiden Schotenden müssen dann auf Backbord und Steuerbord durch die entsprechenden Holepunkte (auf dem Boot verschraubte Ösenbuchsen) geführt werden.
Am Ende werden die beiden Fockschoten mit Achtkoten (Achtung: Knotenkunde) gegen ein unbeabsichtigtes Ausrauschen (herausrutschen) gesichert. Damit die Fock jetzt nicht schlägt (flattert), wird diese auf einer Seite in einer Schotklemme belegt.
Hinweis: Besonders für Segler, die alleine unterwegs sind, hat es hat sich als äußerst praktikabel erwiesen, ein Fockrollsystem zu verwenden. Hier kann die Fock dann aufgerollt bleiben, bis sie gebraucht wird.
Das Großsegel wird gesetzt
Das Großsegel wird nach Möglichkeit immer gerollt gelagert. Dies verhindert unnötige Knicke im Segeltuch und verlängert natürlich so auch die Lebensdauer.
Hat der Großbaum eine Nut, wird als Erstes das Unterlieg des Großsegels in den Großbaum eingezogen – wobei das Segel noch eingerollt bleiben sollte und der Großbaum auch noch nicht am Mast befestigt seien sollte.
Dann wird der Unterliekstrecker (eine Untersetzung, die das Druchsetzen der Unterkante des Segels ermöglicht) am hinteren Ende des Baums in die Öse im Schothorn festgeschäkelt oder auch geknotet.
Zum Setzen wird am Großfall, das in den meisten Fällen direkt am oder im Mast läuft und am Mastfuß über eine Umlenkrolle herauskommt, gezogen bis es ganz nach oben gelangt ist.
Je nach Bautyp der Jolle befindet sich an der Mastspitze ein Mechanismus zum Einhaken des Segeltopps oder du hast am Ende des Großfalls eine Drahtschlaufe, die am Mastfuß eingehakt werden kann. Bei den simpelsten Takeltechniken wird das Großfall einfach an einer Klampe befestigt, die sich in der Regel seitlich am Mast befindet.
Segelsetzen ist Teamarbeit
Das Segelsetzen geht am besten zu zweit. Der eine Segler zieht das Fall, der zweite führt das Segel am Liektau ein (in der Regel ist an der Seite, an der das Segel im Mast hochgezogen werden soll, ein Tau eingenäht – das Liektau).
Ist das geschafft, muss noch die Unterliek im gleichen Verfahren eingezogen und befestigt werde. Viel einfacher gestaltet sich das Segelsetzen bei Ein-Hand-Jollen wie den Typen von Laser.
Hier wird das Segel einfach nur ausgerollt und im Kondom-Verfahren über den zusammengesetzten Mast gezogen. Anschließend wird Mast und Segel in das Loch im Deck gesteckt. Fertig!
Ähnlich einfach geht es dann bei diesen Typen weiter, denn die Unterliek muss auch nicht in den Großbaum eingefädelt werden. Die untere Seite des Segels wird lediglich am Schothorn achtern befestigt. Dass auch diese Art von Takelung zu hohem Segelvergnügen führt, sollte der Olympia Status des Lasers beweisen.
Segel reffen
Natürlich hast du und deine Crew vor dem Lossegeln das Wetter gecheckt. Mitunter können aber trotzdem überraschende Entwicklungen eintreten und dich zwingen, die Segelfläche zu verkleinern.
Eine ganz schlechte Idee ist, in solchen Momenten die Segel komplett runter zu nehmen oder nur mit der kleineren Fock alleine klarkommen zu wollen – immer vorausgesetzt, du hast keinen Motor. Dann gilt: Erst den Motor zum Laufen bringen, dann runter mit den „Lappen“ und ab nach Hause.
Richtiges Reffen
Während bei gängigen Ein-Hand-Jollen keine Möglichkeiten bestehen, die Segelfläche zu verkleinern (du musst also sehen, wie du klarkommst und dem Wind möglichst wenig Segelfläche anzubieten), besitzen die größeren Jollen in der Regel sogenannte Reff-Systeme.
Das einfachste und auch praktikabelste: Im Großsegel sind drei horizontale Reihen von dünneren Tampen eingenäht – die Reffreihen. An der Mastliek des Segels sind auf Höhe jeder Reffreihe Ösen im Segel eingenäht.
Du lässt dein Großsegel bei Bedarf mit dem Großfall so weit runter, bis die entsprechende (verkleinerte) Segelfläche erreicht ist. Am Großbaum kannst du jetzt die entsprechende Öse einhaken und das Großsegel zusammenrollen bis die entsprechende Reffreihe erreicht ist und du in der Horizontale das Segel einbinden kannst.
Jetzt hast du ein wesentlich kleineres, aber absolut funktionstüchtiges Segel, das dich kontrolliert in den Hafen bringen wird. Selbst die gängigen Segelmanöver wie Wende und Halse sind so möglich.
Hinweis: Versuche niemals das Großsegel komplett runter zu nehmen und nur mit der kleineren Fock segeln zu wollen. Das funktioniert schon aus rein physikalischen Gründen nicht.
Aber: Auch wenn das Großsegel nach dem Reffen nur noch die Größe eines Taschentuches hat – so kommst du ohne Kentern (Umfallen durch Wind) in den Hafen.
Vielleicht nicht deinen, aber immerhin und auf jeden Fall an Land.
Sicherlich lässt sich unschwer vorstellen, dass ein Reffmanöver bei Wind und Welle ein eher anstrengende und komplizierte Übung ist. Da Segel, aber immer vorausschauend betrieben wird, sollte das Reffen bereits vor dem Verlassen der Marina, zumindest aber vor dem Fall der Fälle absolviert werden.
Segel bergen
Eigentlich ist die Reihenfolge der Segelberge-Aktionen gleichgültig. Es muss beim Herunterlassen – bzw. Einrollen der Segel lediglich darauf geachtet werden, dass diese dann auch wirklich sicher und fest gebunden werden.
Nichts macht das spätere Anlegen so „interessant“ wie das plötzliche und unkontrollierte Auswickeln eines Segels, in das dann auch noch eine Windbö bläst! Wenn eine Jolle mit gesetzten Segeln an Land abgestellt ist oder wird, bzw. im Wasser unbeaufsichtigt vor sich hintreiben soll, müssen unbedingt einige wichtige Einstellungen beachtet werden.
Schnell kann die herrenlose Jolle zu Bruch gehen, wenn sie sich z.B. in einer Windbö selbstständig macht oder kentert (umkippt), weil die Segel plötzlich vollen Winddruck bekommen. Hinzu kommt, dass auch Passenten der benachbarte Boot zu Schaden kommen könnten, was nicht nur sehr ärgerlich wäre (Club-Harmonie!), sondern auch gefährlich wäre.
Wird das Segeln lediglich unterbrochen, müssen die Segel nicht zwangsläufig geborgen werden. Am wichtigsten ist, dass die Jolle mit dem Bug in den Wind gestellt wird oder soviel Leine erhält, dass sie sich frei am Steg oder der Boje bewegen (pendeln) kann.
Das Großsegel sollte in der Regel trotzdem runtergelassen und eingerollt am Großbaum befestigt werden. Die Fock kann oben gelassen werden, allerdings im eingerollten Zustand am Vorstag festgebunden werden.
Bei sehr schwachem Wind kann die Fock auch sehr dicht gezogen und in einer Klemme fest gemacht werden.
Fazit
Das Setzen deiner Segel macht keine Umstände – wenn es Teamarbeit ist. Zu zweit ist das gar kein Problem. Alleine gestaltet sich das Segelsetzen immer ein wenig umständlicher – genau wie das Bergen. Mittels kontrolliertem Reffen der Segel lässt sich jeder Wetterumschwung ohne größere
Schwierigkeiten aussegeln.
Nach dem Bergen sollte dem Zusammenlegen der Segel erhöhte Aufmerksamkeit gelten. Möglichst sollten die Segel in gerolltem Zustand gelagert werden. Wenn das aus Platzgründen nicht möglich ist, kann das Großsegel auch in speziellen Techniken gefaltet werden.
Hier kommt es darauf an, die groß die Segel sind, aus welchem Material sie bestehen und wie lange diese voraussichtlich gelagert werden sollen. Am besten ist dann, den Segelmacher seines Vertrauens zu fragen, wie das Segel verstaut werden soll.